Interview mit der Autorin Patricia Koelle: „Das Meer in deinem Namen“

Interview – Belletristik

Die in den USA geborene Autorin Patricia Koelle lebt heute mit ihrem Mann in Berlin. Als Kind erlebte Sie die geteilte Stadt als Gärtchen des praktischen Widerstands. Hingen einst Besen und Spaten an einem Haken in der Berliner Mauer, so heftet sie heute ihr Schreibgerät an alles, was sich vor ihr aufzutürmen wagt. Probleme? Herausforderungen! Und dann ist da ja noch die Liebe im und am Buch. mehr…

Einstieg: Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
Ich habe schon als Kleinkind Lesen gelernt. Als mir die Bücher ausgingen, war Schreiben der logisch nächste Schritt. Außerdem ist es bei mir wie bei vielen anderen Autoren: Ich kann nicht anders! Die Geschichten toben in meinem Kopf und geben keine Ruhe, bevor sie nicht geschrieben sind. Ein Hobby ist es nicht, es ist ernsthafte Arbeit, die mir wichtiger ist als jedes Hobby. Mit meinem Job hat es nichts zu tun, davon leben kann ich auch nicht, aber als Berufung würde ich es bezeichnen, ja.

Profession: Was heißt es für Dich, Autorin zu sein?
Es heißt, sich regelmäßig hinzusetzen, um zu schreiben, auch wenn ich mal keine Lust, Zeit oder Kraft dafür habe. Es heißt, immer wieder überarbeiten, auch mal nachts aufstehen und eine Idee festhalten, andere Pflichten schneller erledigen, um „Zeit zu machen“, Kritik ernst nehmen, immer weiter lernen und damit leben, dass es wahrscheinlich nur wenige Leser geben wird. Es bedeutet aber auch, in der Schreibzeit völlige Freiheit zu besitzen: Ich kann sein, wer, wo, wie und wann ich möchte. Denn wenn ich schreibe, BIN ich der Protagonist und lebe dessen Leben an seinem Ort.

Lokalisation: Wie und wo schreibst Du?
Ich halte Ideen, Szenen und Dialoge zu jeder Tageszeit und an jedem Ort auf Notizzetteln oder im Handy fest. Den Text schreibe ich direkt in den Rechner, manchmal diktiere ich auch mit Sprachsoftware.

Organisation: Wie sammelst und organisierst Du Deine Gedanken, bevor Du sie ‚aufs Papier‘ bringst?
Gute Frage. Sammeln ja, organisieren wenig. Ich sammle sie wie erwähnt auf Notizzetteln und stecke die in eine Schatzkiste. Wenn ich dann mit der Recherche fertig bin und bereit, das Projekt zu starten, schreibe ich sie mehr oder auch weniger geordnet in eine Word- oder Scrivener-Datei. In eine lange Liste, nicht nach Kapiteln unterteilt. Dann fange ich frei an zu schreiben und greife manchmal auf die Liste zurück. Ich weiß immer nur ungefähr, wo die Geschichte mich hinführt. Aber die Recherche muss sitzen, die Fakten müssen stimmen. In dem neuen Roman „Das Meer in deinem Namen“, dem ersten Teil einer geplanten Trilogie, kommt beispielsweise ein Drehorgelspieler vor. Dafür habe ich mich lange mit einer Drehorgelspielerin unterhalten, mir das Instrument zeigen lassen und ihre Fachbücher gelesen. Außerdem geht es in dem Roman um mehrere Generationen. Ich habe mir ein kostenloses Programm für Ahnenforschung heruntergeladen – die sind toll, die finden Logikfehler automatisch – und mir einen akribischen Stammbaum aufgestellt und zu Referenzzwecken an die Wand geheftet, sonst wäre ich heillos durcheinander gekommen.

Fünfsatz: Worum geht es in Deinem aktuellen Roman „Das Meer in deinem Namen“?
Es geht um die junge Carly. Sie ist arbeitslos und unglücklich – oder doch glücklich? – verliebt. Da bekommt sie das Angebot, als Ferienjob ein Haus an der Ostsee zum Verkauf vorzubereiten. Wenn sie es annimmt, muss sie ein Familientabu brechen und sich ihrer größten Angst und ihrer Vergangenheit stellen, doch in dem Haus findet sie Unerwartetes vor…

Ich habe versucht, der Geschichte eine besondere Atmosphäre zu geben, sodass dem Leser der Seewind um die Nase weht und er glaubt, im Urlaub zu sein.

Motivation: Wann und wie kam die Idee zu diesem konkreten Projekt?
Oh, ich wollte einen unterhaltsamen Roman schreiben, dabei das Gespenst einer alten Liebe endgültig zur Ruhe betten und außerdem gab es einen Ort, der mich inspiriert hat und an dem die Geschichte nun spielt. Carly hat dann wie alle Protagonisten ein Eigenleben geführt, dem ich gefolgt bin. Ich habe jedes fertige Kapitel auf einem Blog veröffentlicht, sodass ich von einigen Leserinnen sofort Kritik, Feedback und Ermutigung bekam. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe dann zwischendurch eine lange Schreibpause eingelegt, weil ich durch den Tod meines Vaters aus dem Konzept gebracht wurde und, um das zu verarbeiten, erst einen anderen Roman geschrieben habe („Die eine, große Geschichte“). Die Pause war sehr gut für das Projekt, denn als ich es wieder aufnahm, stellte ich fest, dass es nur der erste Band einer Trilogie ist – und von da passte alles zusammen und es sprudelte nur so. Besonders freue ich mich darüber, dass die ebenfalls deutsch-amerikanische Künstlerin Carola Angrick Nix ein wunderschönes Cover für das Buch gezeichnet hat.

Bewerbung: Wie gehst Du mit Reaktionen auf Deine Buchprojekte um?
Es gab zum Beispiel die Zuschrift einer 90-jährigen Leserin, die fast blind ist und begeistert auf dem Kindle liest, weil sie da die Schrift groß stellen kann. Sie schrieb, sie liest am liebsten meine Bücher, weil sie ihr Kraft geben und Mut machen. Das sind so Augenblicke, in denen ich erfahre: das Schreiben hat sich gelohnt, egal ob noch irgendwer anderes das Buch liest. Das motiviert ungemein, auch wenn es sehr selten vorkommt, dass ein Leser sich meldet. Rezensionen gibt es auch sehr wenige und gelegentlich sind welche dabei, da hat jemand persönlich etwas gegen mich – jemand Neidisches aus einem Schreibforum –, oder vielleicht ein Nachbar, den man geärgert hat. Man merkt es an der unsachlichen Gehässigkeit und daran, dass diese Leute meist nur dieses eine Buch rezensiert haben. Das geht vielen Autoren so. Das muss man lernen zu ignorieren. Echte Kritik nehme ich gerne an. Bei einer Geschichte z.B. schrieben mehrere Leser in der Rezension, dass ich bei einer bestimmten Szene hätte aufhören sollen, der Rest wäre schlecht für die Geschichte. Daraus habe ich etwas Wichtiges gelernt.

Austausch: Wer sind Deine Ansprechpartner rund um Deine Buchprojekte?
Hauptsächlich Lektor und Verleger, auch Kollegen, die ich in Foren oder Facebook-Gruppen kennengelernt habe.

Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit Social Media Aktivitäten und passen Buch und Social Web zusammen?
Unverzichtbar! Ich bin bei einem Kleinverlag, der kaum einen Werbeetat hat. Da sind Facebook, Rebelmouse, Bloggen, E-Mails und Forenbeiträge schreiben sowie Homepage betreiben als die einzige Möglichkeit, dem Leser die Existenz des Buches bekannt zu machen. Ein Glück, dass es das gibt! Gut, es ist viel Arbeit mit geringfügigen Ergebnissen. Nicht allzu effektiv, aber spannend, lebendig und immerhin nicht ganz vergeblich. Auch für die Recherche ist es unglaublich hilfreich, und niemals verzichten möchte ich auf die netten Kollegen, die ich auf diese Weise kennengelernt habe und mit denen ich wichtige Infos, aber auch nette Plaudereien über den virtuellen Gartenzaun austauschen kann. Wir machen uns gegenseitig Mut – wer täte es sonst?

Eigenwill: Welche Frage müsste ich Dir unbedingt stellen? Und was würdest Du darauf antworten?
„Was wünschst du dir als Autorin am meisten?“

Ich wünsche mir, dass die Leser mehr Feedback geben und Kontakt zum Autor suchen. Liebe Leser, bitte schreibt mir E-Mails, Rezensionen und Kommentare auf meinen Blog. Erzählt mir, was euch gefallen hat und was euch gestört hat. Sagt mir: „Diese Szene hat mich mitgerissen, weil…“ oder auch: „Hier habe ich mich gelangweilt, weil…“. Erzählt mir, wenn ihr euch über eine gemütliche Lesestunde mit meiner Geschichte gefreut habt, oder warum ihr euch geärgert habt, weil ihr das Gefühl habt, es war euer Geld nicht wert. Redet mit mir! Schreiben ist harte Arbeit, manchmal einsam, und man weiß manchmal nicht, warum man sich das antut. Es wäre toll, von euch zu hören, und es ist ganz einfach.

Der neue Roman erscheint sehr bald, zunächst als Kindle E-Book, später wahrscheinlich auch in anderen Formen. Ich habe einen Blog für die Trilogie eingerichtet, über den man mit mir und anderen Lesern diskutieren, Ideen und Kritik anbringen könnte. Natürlich nur, wenn jemand mitmacht. Das wäre toll! Ach ja, und: Bitte gebt auch unbekannten Autoren und kleinen Verlagen eine faire Chance, wenn sie gute Arbeit leisten.

Und so geht es direkt zur Autorin:
Blog: NEU: http://meerschreibfrau.wordpress.com (zuvor: http://verschenkbuecher.wordpress.com)
Bücher: http://www.ronald-henss-verlag.de/autoren/patricia-koelle.html
E-Mail: patricia.koelle@t-online.de

Nachtrag: Eine tolle Rezension von Silberdistel findet Ihr hier: http://buecherstaub.wordpress.com/2013/05/08/das-meer-in-deinem-namen

Leseprobe aus: „Das Meer in deinem Namen“

… Draußen waren keine Sterne sichtbar, auch kein Mond. Der Wind kam vom Meer. Unter seinem Druck beugten sich die Kiefern über das Land, noch eine Spur dunkler als die Nacht. Irgendwo im Wald dröhnten vereinzelt die Rufe der Hirsche. Carly atmete die kühle Luft tief ein.

In den Häusern brannte nirgendwo mehr Licht, nur die wenigen Straßenlaternen streuten ein paar Schatten zu Carlys Füßen. Auf einmal fehlte ihr Thore so sehr, dass es schmerzte, ein scharfes Brennen wie früher, wenn sie sich wieder einmal in einen Ameisenhaufen gesetzt hatte. Nur diesmal von innen. Sie kannte das schon, da musste sie durch, irgendwann ließ es nach.

Sie vermisste das Helle in seiner Stimme, seinen Arm um ihre Schultern, sein unvermutetes Auflachen, den Ernst und die Neugier in seinen Augen, wenn er zuhörte. Die zärtliche Art, wie er mit der erhobenen Hand seine Worte unterstrich. Seine Angewohnheit, mitten im Lauf stehen zu bleiben, wenn er etwas besonders leidenschaftlich erklären wollte oder wenn ihm eine Frage einfiel. Die Eile, mit der er sich meist selbst voraus war. Sie vermisste sogar die Angst, die sie um ihn hatte, wenn sie ihm die Müdigkeit anmerkte, die daher kam, dass er zu allen Gelegenheiten ja sagte, jeden Vortrag, jedes Projekt annahm, immer an beiden Enden brannte, kaum schlief aus Angst, einen Bruchteil zu viel Leben zu versäumen.

Immerhin hatte er jetzt Urlaub, das war gut.

Sie hatte für einen Augenblick das Gefühl, ohne ihn keinen Schritt vorwärts bewältigen zu können. Doch das kleine Schiff in ihrer Tasche gab ihr Kraft. Dieser Gang zum Meer, das war sowieso etwas, das sie alleine machen musste.

Die Taschenlampe fest umklammernd, folgte Carly der dunklen Spur, die der aufgeworfene Tang entlang des Flutsaums legte, spürte dem Gefühl an ihren Füßen nach, hörte auf das mächtige doppelte Rauschen von Wind und Wellen und mochte den Blick nicht heben, bis sie etwas blendete. Sie zuckte zusammen. Weit in der Ferne sah sie das Blinken, rhythmisch, dreimal, dann eine lange Pause, dann wieder. Der Leuchtturm, natürlich! An den Wänden in Synnes Galerie hatte sie mehrere Bilder davon gesehen, und da war ja auch Hennys Zeichnung, die auf halber Treppe hing. Der schmale Lichtstrahl wirkte fast lächerlich in der Weite, von der sein Schein Carly eine Ahnung aufzwang. Er spiegelte sich für Momente auf der windzerzausten Fläche, zeichnete weißes Funkeln auf dunkle Wellen und löschte gleich wieder alles. Carly setzte sich; ihr war schwindlig, als hätte sich nicht das Licht, sondern der Boden bewegt.

Wieder sah sie das Bild vor sich, nur umfassender diesmal: ihre nackten Kleinmädchenfüße im Sand, daneben Tante Alissas knochige mit dem langen mittleren Zeh, auf der anderen Seite schmale Frauenfüße mit silberweiß lackierten Nägeln. Die Füße ihrer Mutter! Das Meer war warm, der Tang ringelte sich leuchtend grün im flachen Wasser und die Sonnenhitze lag schwer auf ihren Schultern. Die beiden Frauen hielten Carly bei den Händen, schwangen sie lachend vor und zurück, bis die Stimme ihres Vaters kam: Los, flieg, Fischchen!“

Die Frauen ließen sie los und sie flog in seine Arme. Er stand hüfthoch im ruhigen Wasser; ihr war schwindlig während der einen Sekunde in der Luft, aber sie zweifelte nicht daran, dass er sie sicher auffangen würde.

Das hatte sie nicht gewusst, dass die Stimme ihres Vaters noch lebendig war, nur verschüttet in ihrem Gedächtnis. …

Und so geht es direkt zur Autorin:
Blog: NEU: http://meerschreibfrau.wordpress.com (zuvor: http://verschenkbuecher.wordpress.com)
Bücher: http://www.ronald-henss-verlag.de/autoren/patricia-koelle.html
E-Mail: patricia.koelle@t-online.de

Zurück zur Kurzbiografie…

 

6 Kommentare
  1. Klausbernd sagte:

    Gibt`s hier keinen LIKE-button oder bin ich blind?
    Auf jeden Fall ein LIKE.
    Herzliche Grüße von sonnigen Küste Norfolks
    Klausbernd

  2. Ach mensch… Wieso hauen mir denn hier die Buttons ab? So, müsste jetzt wieder gehen. Entschuldigung! Es darf also wieder geliked werden. Danke für den Hinweis!

Was meint Ihr dazu?