Lukubration: Heut mach ich mir kein Abendbrot, heut mach ich mir Gedanken
Wer schreibet so spät bei Nacht und Wind? Es ist der Autor mit seiner Tint!… Ja gut, nicht preisverdächtig. Was ich eigentlich sagen wollte: Wieviele Kreative verwirklichen sich doch des Nachts! Dafür gibt es einen Begriff – leider derart mumifiziert, dass er wohl nicht mehr zu bergen ist. Kein Modewort, schade. Nachtarbeit ist doch angesagt. Hier mein kleiner Nachruf auf die Lukubration, das schreibende Treiben bei Nacht.
Buzzwords
Kapriziöse Modewörter sind schnell gefunden: Inklusion, Mediokratie, Portfolio, was auch immer. Endloslisten ließen sich verfassen. Der Hinweis ausgewiesener Schreibexperten, auf Modewörter möglichst zu verzichten, wird jedoch schnell zum Problemchen. Denn was en vogue ist, wird auch gleich verstanden. Gut, übertreiben sollte da keiner. Amüsanten Bullshit-Bingo Meetings zum Trotz, gibt es eben umständliche Begriffe, die durchaus angebracht sein können. Wenn ein Begriff genau das beschreibt, was ich sagen möchte, na dann los! So die Lukubration.
Wortschatzlücken
Die bekannteste deutsche Wortschatzlücke ist wohl keinen Durst mehr haben. (Mal wieder ein schöner Blogbeitrag von Anatol Stefanowitsch aus 2011: „Wortschatzerweiterungen“.) Meine persönliche Lücke ist das Schreiben in der Nacht. Denn Nachtarbeit trifft es eben nicht ganz, bezieht sich das aus dem Lateinischen kommende Lukubration doch auf das nächtliche (wissenschaftliche) Schreiben. Einst lukubrierte man noch, man schrieb bei künstlichem Licht, heute ist dieser Ausdruck veraltet. Warum nur? Lukubrieren kann doch mit Authentizität dicke mithalten, nicht?
Anglizismen
Social Media, Network, Content, Community, Shitstorm, Web, Follower, Landing Page… Englische Wörter, im Deutschen längst angekommen, keine Frage. Doch werden sie bleiben? Vielleicht. Denn sind es wirklich soziale Medien, das Netzwerk, der Inhalt, die Gemeinschaft? Das war noch leicht. Und Empörungswelle und Netz? Hm, geht noch gerade so. Aber Folger und Landungsseite? Warum also nicht zurücklehnen und ein passendes Wort nehmen, das (fast) jeder versteht. Dazu ist doch Sprache da. Ich rede schließlich nicht vom Service Point – eine andere Story Geschichte. Und meine Lukubration? Ich bin froh, ihr begegnet zu sein – und sei es, als Einladung zum Selbstgespräch…
Bild: Georg Friedrich Kersting: Faust im Studierzimmer (1829)
Bildnachweis: Georg Friedrich Kersting [Public domain], via Wikimedia Commons