Die Kunst des Absagens – Bewerber auf dem Holzweg

Wer nicht wagt, der nicht verliert. Ein Großteil aller Bewerbungen endet mit einer Absage: Auf ein Stellenangebot kommt ein Vielfaches an Bewerbern. Bei den Umworbenen scheint mit einer wachsenden Zahl an Bewerbungen jedoch auch das Absagen immer mehr zur Nebensache, zum notwendigen Übel zu gerinnen. Schließlich stehen der Einsatz des Bewerbes und die Reaktion des Entscheiders in einem üblen Missverhältnis. Doch ein plumpes ‚Leider nix‘ sollte so nicht einfach hingenommen werden. Ein Beispiel.

Eigentlich bin ich gerade im Urlaub und mache mir – wenn überhaupt – Gedanken über Bücher, Autorinnen und Autoren, über Verlage, über Gezwitschertes usw. Schöne Gedanken also. Und dann erreicht mich über das karge WLAN doch eine echte Beleidigung. Es ist eine Absage-Mail. Gut, Absagen sind nicht schön und jeder kennt das fade Gefühl des Scheiterns im Kleinen. Doch darum geht es hier nicht. Eigentlich war alles ganz angenehm: Anfang des Jahres stoße ich zufällig auf ein Stellenangebot, was mich persönlich berührt. Es ist kein Top-Job, nicht sonderlich gut bezahlt, aber irgendwie mit Bildungsauftrag. Letzteres liegt mir wohl am Herzen. Nach anfänglicher Euphorie sagte mir der leere Postkasten spätestens Anfang Februar, dass daraus wohl nix wird. Schade, aber zu verkraften und bis heute auch irgendwie vergessen. Dann diese Mail:

Ihre Bewerbung

Stelle der/des Referent/in der xxxakademie

Guten Tag!

Die ausgeschriebene Stelle ist in der Zwischenzeit besetzt worden. Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt werden konnten.

Wir bitten um Ihr Verständnis, Ihnen keine andere Nachricht geben zu können.

Für Ihr Interesse an der Mitarbeit in der xxxakademie xxxx bedanken wir uns sehr herzlich. Für Ihre weitere berufliche Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

xxxx

Meine Reaktion:
Ich konnte es nicht fassen. Eine Absage, fast drei Monate später, unpersonalisiert, ohne Angabe von Gründen, im Auftrag. Nein, so doch nicht. Ich empfand dies als echte Ungehörigkeit, konnte und wollte dies so nicht akzeptieren. Es geht nicht um die Absage an sich – das steht auf einem anderen Blatt. Die Gefahr, als beleidigte Leberwurst gelesen zu werden, besteht bei Kritik an Kritik immer. Aber eine öffentliche Einrichtung, die vorgibt, ganz nah am Puls der Zeit zu sein und den Einsteigern, der Zukunft eine Plattform zu bieten, geht so mit Bewerbern um? Das Anforderungsprofil lag dicht bei meinen Qualifikationen, mir muss also auch nichts peinlich sein. Muss ich einen solchen, scheinbar üblichen Umgang mit meiner unerwünschten Bewerbung einfach hinnehmen? Ich entschied mich, auf diese E-Mail zu antworten.

Mein Unbehagen:
1. Beinah drei Monate vergehen zu lassen, um dann mitzuteilen, die ausgeschriebene Stelle sei inzwischen vergeben, empfinde ich als grobe Unhöflichkeit. So müsste ich doch daran zweifeln, dass überhaupt Bewerbungsgespräche stattgefunden haben. Als erste Absage ist doch zu erwarten, dem Bewerber mitzuteilen, er sei nicht in die engere Auswahl gekommen. Und dies unverzüglich und nicht Wochen später.
2. Die Absage-E-Mail ist nicht einmal personalisiert und enthält Floskeln, die von einer öffentlichen Einrichtung nicht zu erwarten sein sollten. Ferner ist bekannt, dass das Fehlen einer Absagebegründung lt. des Europäischen Gerichtshofes für eine Klage wegen Diskriminierung der Bewerberin/des Bewerbers ausreichend ist. Ein Bewerber hat somit ein Recht auf sachliche Information. Eine unpersonalisierte Sammel-E-Mail ist davon weit entfernt.
3. Darüber hinaus ist einer Akademie per definitionem an der Förderung von Berufseinsteigern gelegen, was eine Begründung der Absage umso notwendiger macht. Wie glaubwürdig sind derlei Service-Einrichtungen bei einem solch desolaten Recruiting noch? Best Practice ist etwas anderes.
4. Mit einer solchen Stellenausschreibung wenden sich junge und moderne universitäre Institutionen an hochqualifizierte Fachkräfte, weswegen ein ‚Customer Relations‘ Management unumgänglich ist. Auch mit einer Stellenausschreibung treten derlei Einrichtungen an und in die Öffentlichkeit und nehmen Kontakt zu potentiellen Kollegen auf. Augenhöhe ist hier doch das Zauberwort. Mit diesen einen solchen Umgang zu pflegen, halte ich für äußerst kritisch. Verschenkt wird damit doch u.a. wertvolles Potential.
Da ich aus Absagen lernen und diese für meine berufliche Zukunft nutzen wollte, räumte ich dem Umworbenen die Möglichkeit einer ordentlichen Absage mit entsprechender Begründung ein. Dabei war zwingend darzulegen, weswegen ich schon im ersten Auswahlverfahren für diese Stelle als nicht ausreichend qualifiziert oder anderweitig ungeeignet erachtet wurde.

Eine ReReaktion:
Gut, einen Tag später erhielt ich eine freundliche Antwort vom Leiter der entsprechenden Einrichtung. Das war dann doch sehr anständig. Es hieß, bei über 200 Bewerbungen könnte die Institution nicht individuell reagieren. Schade eigentlich. Gerade bei einem solchen Zuspruch sollte der gute Ton nicht vergessen werden und ein professioneller Umgang mit den Bewerbern gepflegt werden. Sollte. Müssen sich Bewerber bald für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die sie einem Stellenanbieter mit ihren Unterlagen bereiten? Jedenfalls scheint eine zunehmende Bewerberanzahl die Absageabfertigung rechtfertigen zu wollen. Zweifel. Schließlich ist dies keine Partyankündigung, die aus Versehen über Facebook an die Öffentlichkeit gelangt und plötzlich aus dem Ruder läuft. Werden zukünftige Bewerbungsprofis dazu raten, bei einem potentiellen Arbeitgeber anzurufen, um sich höflich danach zu erkundigen, ob das Maß der Belästigung durch Bewerbungsmappen schon erreicht ist – oder wie? Nein, Verständnis für Unhöflichkeit muss kein Bewerber haben, auch und gerade nicht bei einer Absage. Übrigens, gescheitert ist mein Angebot an eineinschlägiger Berufserfahrung.

Wie auch immer im konkreten Fall: Sich als oder mit etwas bei einem Unternehmen, einer Einrichtung, einem Verlag oder was und wem auch immer zu bewerben, heißt nicht, alles hinnehmen zu müssen. Nicht geeignet zu sein, ist möglich, ja, es ist normal. Aber das, was von mir erwartet wird, kann ich doch wohl auch vom Gegenüber verlangen, nicht? Oder verlange ich da tatsächlich zu viel?

Nachtrag I.: Ha! Ich bin gerade auf einen wunderbaren Blogbeitrag (Dreiteiler) zum Thema „Verlage und Absagen“ gestoßen, den ich Euch einfach nicht vorenthalten möchte:
Thorsten Nesch: Von Musterabsagen und Meisterabsagen auf SteglitzMind

Nachtrag II.: Einen wunderbaren Einblick in die Absagekultur verschiedener Verlage gibt die Schriftstellerin Angela Charlotte Reichel auf ihrem Blog ACR-Spiegelbilder

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4 Kommentare
  1. Boah, das ist echt der Hammer. Sowas Lapidares!
    So geht es echt nicht. Vor allem auch noch per E-Mail.
    Aber ok, es gehen heute auch Bewerbungen per E-Mail, das geht wohl, denke ich.
    Dein Schreiben ist echt gut, sachlich und so, dass sie dich eventuell doch noch einstellen könnten, wenn sie dich brauchen sollten….

    • Hallo! Ja, mich hat tatsächlich geärgert, dass Engagement des Bewerbers und Reaktion des Umworbenen in einem solchen Missverhältnis stehen. Hätten wir „italienische Verhältnisse“ (http://www.bewerberblog.de/2013/01/danke-fur-ihre-absage-auf-meine-bewerbung/) und eine Bewerbung bestünde lediglich aus lieblos eingetüteten Kopien – geschenkt. Aber wer Professionalität und Engagement verlangt und bekommt, muss sich doch auch ein bisschen Mühe geben. Für mich wird in jeglichen Gesprächen Respekt immer an oberster Stelle stehen, egal ob ich mein Gegenüber ‚gebrauchen‘ kann oder nicht. Und was ich selber tu, ja, das trau ich auch andern zu! ;o)

  2. Literaturauszüge sagte:

    Seit wann werden in Absagen konkrete Gründe genannt? Ist mir unbekannt.

  3. Hallo! Es stimmt, eine Nennung konkreter Gründe scheint die Ausnahme zu sein. Ich bin eigentlich niemand, der die Juristerei auf den Plan ruft, wenn mir mal was nicht passt, noch habe ich in rechtlichen Belangen die geringste Ahnung. Doch in diesem Fall erinnerte ich mich tatsächlich an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Das Urteil lässt sicher viel Spielraum (siehe bsw. http://news.jobanzeigen.de/bewerbung/1140-unbegruendete-jobabsage-diskriminierend und dagegen http://www.handelsblatt.com/finanzen/recht-steuern/arbeitsrecht/urteil-ueber-bewerbungen-unternehmen-muessen-absage-nicht-begruenden/6529222.html) und manch Unternehmen begründet lieber nicht, gerade um nicht unter Diskriminierungs-Verdacht zu geraten. Das Urteil zeigt aber auch, dass sich eine namenslose Floskel-Absage nicht gehört. Und wie ich meinte, schon gar nicht für eine Institution, die u.a. vermitteln möchte, wie Graduierte den Weg ins Unternehmen finden sollen. Wie ein angetrunkener Mönch, der Wasser predigt. Auf diesen Beitrag hin hatte ich Kontakt zu anderen Personalern: Auch hier findet eine Floskel-Absage keiner wirklich gut, doch praktiziert wird es wohl für gewöhnlich so – wenig Zeit, wenig Geld, wenig Interesse für die Unerwählten. Schade!

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